Geschichte

Die Gründung des Bernischen Fleckviehzuchtverbandes erfolgte am 23. Juli 1901 im Hotel „Sternen“ in Bern. Erster Präsident war Carl Moser, Direktor der Landwirtschaftlichen Schule Rütti, später bernischer Regierungsrat und Ständerat. Zum Geschäftsführer wurde Dr. J. Käppeli – mit gleicher Funktion im Schweizerischen Fleckviehzuchtverband – gewählt. Rund 40 Delegierte nahmen an der Gründungsversammlung teil. Als wichtigste Tätigkeit war vorgesehen, beim Kanton Beiträge für die genossenschaftliche Zuchtstierhaltung zu erwirken und die Zuverlässigkeit der Abstammungen zu verbessern.
 

Ein Blick zurück

Die Geschichte der bernischen Fleckviehzucht reicht weit über dieses Datum hinaus, steht doch die Wiege der Simmentaler Rasse ohne Zweifel im Berner Oberland. Im Jahre 1806 hat die Berner Regierung so genannte Prämierungsschauen ins Leben gerufen. Mangels geeigneter Publikationsmöglichkeiten für die Ergebnisse wurden die Pfarrer beauftragt, die Resultate jeweils nach der Predigt öffentlich bekannt zu geben. Das bernische Schauwesen kann also bereits auf 200 Jahre Arbeit zurück blicken.

Nicht zufällig erhielt der Stier Hans, geb. 1872, gezüchtet von den Gebr. Rebmann, Schwenden und Erlenbach, die ehrenvolle Herdebuchnummer 1. Er wurde mit verschiedenen ersten Preisen ausgezeichnet und seine gosse Nachzucht war im Schweiz. Fleckviehgebiet weit verbreitet. Auch die Abstammung einer grossen Zahl heutiger Simmentaler Stiere kann bis zu Hans Nr. 1 zurückverfolgt werden. Übrigens geht auch die deutsche Fleckviehzucht zu einem schönen Teil auf diesen Stier zurück. Ein Nachfahre von ihm - Aktionär – wurde nämlich 1904 nach Bayern verkauft, erhielt den Siegerpreis der DLG und hat in 11 Jahren Zucht eine grosse Nachkommenschaft hinterlassen.
 

Politisches Zwischenspiel

Im Jahre 1917 hat der bernische Fleckviehzuchtverband in enger Zusammenarbeit mit dem bernischen Milchverband, dem VLG Bern und der OGG auf Initiative von Ruedi Minger die Bauern-Gewerbe- und Bürgerpartei BGB (heute SVP) gegründet. Niemand hätte allerdings daran gedacht, dass diese Partei dereinst 2 Bundesräte stellen würde. Ruedi Minger blieb übrigens mit dem Verband in Verbindung und hat nach seiner Zeit im Bundesrat regelmässig die Hauptversammlung besucht.
 

Hans und Wächter

Das Jahr 1925 ist erwähnenswert, fand doch damals die Schweiz. landwirtschaftliche Ausstellung in Bern statt. Selbstverständlich war die Viehzucht dabei. Bei den Altstieren kam es zu einem schwierigen Entscheid für das Preisgericht, waren doch die beiden Stiere Hans und Wächter absolut gleichwertig. Es wurde folgender Entscheid getroffen: Abwechslungsweise durfte einer der beiden Stiere für einen Tag die Kategorie anführen. In der Hälfte der Prämienlisten war Hans zuerst aufgeführt, in der andern Hälfte der Auflage war es Wächter. Trotz diesem salomonischen Urteil kam es zu einem heftigen Streit, der die Fleckviehzüchter in zwei Parteien aufteilte. Polemische Leserbriefe waren an der Tagesordnung und mehrmals hatten die Gerichte zu entscheiden. Schade für die Ausstellung!
 

Der kurzbeinige Irrtum

Etwa um 1930 berichteten Besucher von Ausstellungen in Deutschland, dass man dort bei der Klassierung kleinere Tiere voran stelle. Die Züchter horchten auf, war doch der Export nach Deutschland von Bedeutung. Die Tiere sollten, um diesem so genannten Wirtschaftstyp zu entsprechen, 10 bis 15 cm kleiner werden. Man suchte kleine, kurzbeinige Stiere, um dieses Ziel möglichst rasch zu erreichen. Zudem wünschte man ein starkes Fundament. An den Zuchtstiermärkten und –schauen war daher die Bürste mit Harzseife immer dabei. Die grossen, milchergiebigen Kühe wurden diesem Ziel geopfert und die Schwergeburten nahmen ein beängstigendes Ausmass an.
 

Tierseuchenbekämpfung

Im Jahre 1943 startete die staatliche Bekämpfung der Tuberkulose. Unzählige Viehbestände mussten ausgemerzt werden. Trotzdem der Bund und der Kanton die Tiere entschädigte, gab es für die Betroffenen noch viele Kosten zu tragen, bis der Bestand wieder aufgebaut war, ganz abgesehen vom Schock, der mit der Ausmerzung der Tiere verbunden war. Gleich anschliessend wurde auch die Bang – Krankheit auf gleiche Art bekämpft. Insgesamt mussten über 450'000 Tiere eliminiert werden. Heute können wir froh sein, dass diese beiden Stallfeinde besiegt sind.
 

Die Tierzuchtverordnung von 1958

Einen grossen Erneuerungsschub in der Tierzucht brachte die Tierzuchtverordnung von 1958 und das Viehabsatzgesetz von 1961. Endlich stellten Bund und Kanton die nötigen Mittel zur Verfügung, um die Milchleistungsprüfungen, Melkbarkeitsprüfungen und das Herdebuchwesen zu modernisieren und in der Leistungszucht tatkräftige Fortschritte zu erzielen. Das war auch dringend notwendig, lag doch die durchschnittliche Milchleistung noch unter 4000 kg! Die Möglichkeit, unwirtschaftliche Tiere mit einem Beitrag auszumerzen, war für das Berggebiet eine willkommene Hilfe. Auch die Schauen wurden reformiert: die zentrale Beständeschau hielt Einzug. Die Schauexperten mussten eine Prüfung ablegen und die Amtsdauer wurde auf 12 Jahre begrenzt. Die Regionen konnten Vorschläge für die Experten einreichen, was öfters zu „Wahlkämpfen“ führte. Im Kanton Bern hat Samuel Kipfer als Tierzuchtsekretär diese Neuerungen mit starker Hand gefördert.
 

Die BEA – Schaufenster bernischer Zucht

Seit Mitte der 50er Jahre stellt die Ausstellung BEA dem Bernischen Fleckviehzuchtverband eine Anzahl Plätze zur Verfügung. Diese Ausstellung wurde bei den Züchtern rasch sehr beliebt und der Besitz einer BEA – Glocke war mindestens soviel wert, wie eine Olympia-Medaille. Die Möglichkeit, jährlich an einer der grössten Messen der Schweiz mit einer Zuchttier-Kollektion aufzutreten, hat für die bernischen Fleckviehzüchter strategische Bedeutung.
 

Die Künstliche Besamung

Trotz heftiger Opposition im Berggebiet – an einer Versammlung in Zweisimmen kam es sogar zu einem Polizeiaufgebot – wurde 1961 der KB–Verband gegründet. Erster Direktor war Hans Maurer aus Boltigen. Er verstand es, durch eine geschickte Auslese von Stieren, die Züchter nach und nach von den Vorteilen der KB zu überzeugen. Zusammen mit den Zuchtverbänden wurden Zuchtprogramme entwickelt, um für die Nachzuchtprüfung möglichst günstige Voraussetzungen zu schaffen. Die Zuchtstiermärkte litten dadurch natürlich unter sinkender Nachfrage. Im Jahre 1971 erfolgte der Zusammenschluss der beiden Märkte Bern und Thun. Noch in den 60-er Jahren wurden an beiden Märkten 800 bis 900 Stiere aufgeführt. Der gemeinsame Markt in Thun verzeichnete noch eine Auffuhr von etwas über 500 Stieren. Es blieb aber nach wie vor ein Anteil Natursprung erhalten, was mithilft, eine Blutverengung zu verhindern.
 

Einkreuzung mit Red Holstein

Es fehlt nun noch ein wichtiges Element, das unsere heutige Viehzucht kennzeichnet, nämlich die Einkreuzung mit Red Holstein. Die ersten Versuche mit der Einfuhr von Fremdblut machten die Schwarzfleckviehzüchter im Kanton Freiburg. Ihre Erfolge ermunterten auch die Berufskollegen der Fleckviehrasse zu ähnlichen Versuchen mit der roten Farbvariante der Holsteinrasse aus USA und Kanada. Das erste Gesuch wurde 1967 gestellt. Die gute Milchleistung und die schönen Euter machte die Einkreuzung rasch beliebt. Topper – einer der besten Stiere – hinterliess Kühe mit einer hervorragenden Dauerleistung. Über 130 Töchter dieses Stieres erreichten eine Lebensleistung von über 100'000 kg Milch. Später kamen auch inländische Stiere mit Fremdblut zum Einsatz, so etwa Trimbo, der auch viele wertvolle Stammkühe hinterliess und dann natürlich der unvergessliche Pickel, der mit seinen Töchtern während vieler Jahre alle Ausstellungen dominierte.
 

Internationale Erfolge

Die Simmentaler Rasse hat Erfolge zu verzeichnen. Neben den bekannten Mastrassen wurden in Kanada um 1970 die Simmentaler als Mutterkühe mit hervorragenden Eigenschaften entdeckt. Von Nordamerika ging der Siegeszug über Südamerika, Australien bis nach China, wo heute bereits ein Bestand von über einer Million Tiere besteht. Das hätten die Gebrüder Rebmann, Züchter von Hans Nr. 1 nicht einmal im Traum geglaubt.
 

Schlusswort

Die gegenwärtige Zeit ist für die Bauern nicht gut. Wenn die Landesregierung Freude zeigt, dass die Zahl der Ernährer, also der Bauern, stark zurückgeht, so muss irgendwo etwas nicht stimmen. Importe aus der weiten Welt, selbstverständlich billig und streng kontrolliert (?), sollen die Versorgung sicherstellen. Es könnte noch ein böses Erwachen geben!

Jammern bringt nichts, unsere Vorfahren haben zum Teil noch schwerere Zeiten erlebt, denken wir nur an die Wirtschaftskrise von 1930 bis 1935. Also mit Mut und Zuversicht an die Arbeit nach dem Motto: „Wo ein Wille ist, gibt es einen Weg“!

Der Berichterstatter wünscht allen Züchterfamilien Glück und Erfolg in Haus und Stall.

Emanuel Germann,
Ehrenmitglied Bernischer Fleckviehzuchtverband